Architekt des Schicksals by Christian Dunn (Hrsg.)

Architekt des Schicksals by Christian Dunn (Hrsg.)

Autor:Christian Dunn (Hrsg.)
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: Black Library
veröffentlicht: 2014-11-15T00:00:00+00:00


Unerbittlichkeit

des Willens

Ben Counter

Teil 1

Lochos war eine wunderschöne Stadt.

Stählerne Türme glühten silbern in der Sonne von Olympia. Flüsse aus Quecksilber verliefen durch die Straßen und schlängelten sich zwischen den Schmieden und den Tempeln der ältesten Vorfahren dieser Kriegerwelt hindurch. Minarette und Kirchtürme wetteiferten miteinander darum, als Erste den Himmel zu erreichen. Die mit Mosaiken überzogenen Straßen funkelten und in den Schatten der Gießereien glühte tiefrot das Feuer in den Öfen. Die Stadt erstreckte sich von den Bergen bis zur Küste und barg in sich tausend vergangene Generationen Olympias und eine Million Träume von ihrer Zukunft.

Statuen von Männern in gewaltigen Rüstungen fanden sich auf jedem wichtigen Gebäude. Als die neuen Götter von Lochos, als die Wahrzeichen einer frommen Welt waren sie ein Symbol für die neue Galaxis und den Großen Kreuzzug, der diese Galaxis einen sollte. Sie waren ein Exempel für das, was aus der Menschheit eines Tages werden konnte. Sie waren die Iron Warriors.

Das war der Anblick, der auf Shon’tu herabstrahlte, als er auf dem Opferstein niederkniete. Der Kriegsschmied hatte noch vor keinem Menschen das Knie gebeugt, doch jetzt tat er es, denn was er vor sich hatte, das war mehr als nur ein Mensch. Die Vision von Lochos, der verlorenen Hauptstadt von Olympia, weckte bei ihm eine Regung, bei der es sich um ein Gefühl handeln mochte. Er konnte es nicht genauer bezeichnen, immerhin war es zehntausend Jahre her, seit er das letzte Mal Freude, Trauer oder irgendetwas ähnlich Bedeutungsloses empfunden hatte. Eisern im Innern, hatte er sich daraufhin gesagt. Eisern nach außen. Niemals wieder würde es in dieser Seele etwas anderes als eiserne Zielstrebigkeit und stählerne Wut geben.

Vielleicht verspürte er ja Bedauern. Es könnte Sehnsucht gewesen sein, die über Shon’tus kaum noch als menschlich zu bezeichnendes Gesicht huschte. Die wenigen Stellen, die noch Fleisch waren, verschwanden nahezu zwischen dem stählernen Kiefer und der mit Nieten besetzten Metallstirn. Der Mann, aus dem später Shon’tu geworden war, war in Lochos zur Welt gekommen. Die Erinnerungen dieses Mannes lebten in Shon’tu weiter. Er wusste noch gut, wie er aufgebrochen war, um sich dem Großen Kreuzzug jenes Schuftes anzuschließen, den er anschließend als den Falschen Imperator, als den Leichengott bezeichnen sollte. Er erinnerte sich an seine Rückkehr und an das Ende seiner Heimat.

Lochos war tot. Olympia war tot. Doch der Geist lebte noch.

»Ich knie«, sagte Shon’tu.

»Steh auf«, erwiderte der Geist von Lochos.

Shon’tu stand auf. Seine Rüstung schepperte und wimmerte, die archaischen Motoren stießen Dampfwolken aus. Der Geist von Lochos erfüllte die gesamte Ritualkammer und erweckte so den Eindruck, dass dieser Raum sich kilometerweit in alle Richtungen erstreckte. Tatsächlich handelte es sich nur um ein kleines Fleckchen geheiligten Bodens an Bord der Eisentücke, übersät mit Trophäen von den verschiedensten Schlachtfeldern, von den Iron Warriors als Opfergaben zurückgelassen. Das Schiff war ein Relikt einer früheren Zeit, vernarbt von den Jahrtausenden, so knorrig und gehässig wie die Iron Warriors, die an Bord waren. Es war mehr als nur eine Maschine oder eine Waffe – es war sich seiner Existenz bewusst und so grausam wie ein Tier, das man zum Angreifen abgerichtet hatte.



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